Hitzeschutz ist Gesundheitsschutz!

26.01.2024

Enagierte Diskussion mit Staatssekretärin Ellen Haußdörfer: Stefanie Matthys, Dr. Peter Bobbert (Ärztekammer Berlin), Dr. Andrea Narkoinz und Marc Schreiner (BKG)

Wie können Patienten und Mitarbeitende in Krankenhäusern und stationären Pflegeeinrichtungen vor Hitze geschützt werden? Welche baulich-technischen Maßnahmen können die Häuser umsetzen?

Fragen wie diese beleuchtete unsere Fachveranstaltung am 25. Januar am Smart Living & Health Center e.V. 

Draußen ist es noch winterlich kalt, doch der nächste Sommer kommt bestimmt. Und damit die Zahl der Hitzetage, also der Tage mit einer 24-Stunden-Durchschnittstemperatur von mehr als 23 Grad. Berlin ist Hitze-Spitzenreiter: Laut DWD-Sommerbilanz war die Metropole im Sommer 2023 das wärmste deutsche Bundesland. „Innovativer Hitzeschutz in Gesundheitseinrichtungen“ ist also gefragt. Stefanie Matthys, Architektin und Geschäftsführerin des European Netzwork Architecture for Health forderte: Klimaanpassung und klimafreundliches Bauen müssen Hand in Hand gehen und alle Potentiale für integrierten Hitzeschutz- und Nachhaltigkeitsplanung müssen ausgeschöpft werden. „Klimaanlagen sind nicht die Lösung“, so das Urteil von Dr. Andrea Nakoinz, Ärztin und Klimamanagerin am Unfallkrankenhaus Berlin und zeigte auf, wie sich Gesundheitseinrichtungen hitzeresilient aufstellen können. In der anschließenden Podiumsdiskussion mit Staatssekretärin Ellen Haußdörfer und Dr. Peter Bobbert von der Ärztekammer Berlin wurde deutlich, dass Hitzeschutz eine elementare Aufgabe für die Gesundheitsstadt Berlin ist. Krankenhäuser und stationäre Gruppen müssen mit ausreichend finanziellen Mitteln ausgestattet sein, um Investitionen in langfristige Maßnahmen zum Schutz von Patienten und Mitarbeitenden umsetzen zu können.

Den Abschluss des Abends bildete ein Rundgang durch das Zukunftslabor des Smart Living & Health Centers, das sich nicht nur in einer Sonderausstellung dem Thema Hitzeschutz widmete, sondern auch technische Möglichkeiten für ein selbstbestimmtes Leben trotz Einschränkungen zeigt.

Wir haben im Anschluss der Veranstaltung mit den Referentinnen gesprochen:

4 Fragen an… Stefanie Matthys – Architektin und Geschäftsführerin des European Network Architecture for Health

Die Sommer in Berlin werden immer wärmer! Wie kann Architektur dazu beitragen die Patienten, Bewohner und Beschäftigen in den Krankenhäusern und stationären Pflegeeinrichtungen vor der Hitze zu schützen? Können Sie uns ein konkretes Beispiel nennen?
Architektonisch gibt es vielfältige Möglichkeiten, auf die Temperaturen im Innenraum einzuwirken. Das fängt bereits bei der Gestaltung der Umgebung an und geht über die Konstruktion der Fassaden bis hin zur Auswahl der Innenraumfarbe. Wird die Umgebung des Gebäudes begrünt, hat das bereits einen positiven Einfluss auf die Außentemperatur. Die Fassadengestaltung mit feststehendem oder verschiebbarem Sonnenschutz außen und Sonnenschutzgläser schützen vor zu hohem direkten Wärmeeintrag. Ganz erheblich steht im Krankenhaus auch die Gebäudetechnik im Fokus, da viele Bereiche im Krankenhaus ja raumlufttechnisch behandelt werden. Auch Materialität und Konstruktion eines Gebäudes haben einen Einfluss darauf, wie stark es sich erhitzt. Zum Beispiel kann durch eine Betonkernaktivierung die Masse der Konstruktion als thermischer Speicher verwendet werden, der im Sommer Kühle abgibt und im Winter Wärme.

Wie können die Häuser wirtschaftlich davon profitieren, wenn die Gebäude klimagerecht umgebaut werden?
Sie müssen sich klar machen, dass ein sehr hoher Anteil an Energiekosten eines Krankenhauses nicht für das Heizen, sondern für das Kühlen entsteht, da die Wärmeinträge durch medizinische Großgeräte in Krankenhäusern sehr groß sind. Wenn also ein Haus durch passive Klimaanpassungsmaßnahmen, wie zum Beispiel eine effizienter Fassadenkonstruktion oder der Begrünung von Dachflächen und Fassaden, weniger kühlen muss, werden auch Betriebskosten gespart.

Inwiefern kann die Pflege von Hitzeschutzmaßnahmen profitieren?
Selbstverständlich sind die Leittragenden großer Hitze im Krankenhaus nicht nur die Patientinnen und Patienten, sondern auch die Pflegenden und die Ärzteschaft. Werden Temperaturen von 28°C überschritten, leidet darunter die Konzentrationsfähigkeit und die körperliche Belastbarkeit. Dazu kommt noch, dass in einigen Bereichen Schutzkleidung oder Masken getragen werden muss, was die Belastung durch Hitze noch verstärkt. Hitzeschutz ist also auch Gesundheitsschutz für das Personal.

Welche Ziele verfolgen Sie mit Ihrem Netzwerk European Network Architecture for Health?
Wir sind überzeugt, dass Architektur und Stadtplanung einen wesentlichen Beitrag zu einer gesünderen Gestaltung unserer Lebensräume einerseits und der effizienteren Gestaltung von Bauten des Gesundheitswesens andererseits leisten können. Unsere gebaute Umwelt hat erheblichen Einfluss auf unser seelisches wie körperliches Wohlbefinden. Wir bewegen uns so selbstverständlich in unseren vertrauten Umwelten, dass wir dies gar nicht mehr wahrnehmen. Hinzu kommt, dass Räume und ihre Anordnung auch unser Handeln und unsere Bewegungen in einem Gebäude steuern. Wir können mit einer guten Planung also die betrieblichen Prozesse im Krankenhaus verbessern und effizienter machen. Das Ziel von ENAH ist es, das Wissen über diese Themen zu mehren und zu verbreiten und den Dialog von Architekten und Stadtplanern in Forschung und Praxis mit Akteuren des Gesundheitswesens zu fördern.

„4 Fragen an…“ Dr. Andrea Nakoinz – Fachärztin, Klimamanagerin am ukb und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Hitze-Team von KLUG

Sind Klimaanlagen in Krankenhäusern und stationären Pflegeeinrichtungen eine Lösung? Welche Alternativen gibt es?
Klimaanlagen sind die schlechteste Lösung, da es mit Klimaanlagen kaum möglich ist innerhalb der planetaren Grenzen zu kühlen. Der hohe Energieverbrauch und der Einsatz von klimaschädlichen F-Gasen in Klimaanlagen tragen zu einer Verschärfung der Klimakrise bei. Die Abbauprodukte von in Klimaanlagen genutzten F-Gasen verbleiben außerdem als Umweltgift in unserem Grundwasser.

Wie sollen Einrichtungen in einer Energiemangellage mit der Hitze umgehen?     

Hierfür braucht es Ausfallkonzepte, da sicher nicht alle Klimaanlagen in Extremsituation Weiterbetrieben werden können. Es gibt klimafreundlichere und kostengünstigere Alternativen! Die Möglichkeiten sind dabei vielfältig und reichen von baulichen Maßnahmen, wie begrünten Dächern und Fassaden über kühlende Farben für Fassaden und Innenräume bis hin zu Einzelmaßnahmen, wie Kühlwesten für Mitarbeitende und Patient*innen.
Welche Vorteile bringt Ihre Lösung den Patienten, Bewohnern und Beschäftigten?
Bereits jetzt sterben in Deutschland jährlich Tausende Menschen an den Folgen von starker Hitze.Es treten hitzebedingte Erkrankungen auf und chronische Erkrankungen, wie beispielsweise Herz-Kreislauf- Erkrankungen verschlechtern sich. Während Hitzewellen sind Krankenhäuser durch die Kombination aus höhere Aufkommen von Patient*innen und der körperlichen Belastung für Mitarbeitende besonders betroffen. Das konsequent Umsetzen von Hitzeschutzmaßnahmen sind deshalb wesentlich um während Hitzewellen der Qualität der medizinischen Versorgung aufrechtzuerhalten.

Was benötigen die Einrichtungen, um die Anforderungen an den Hitzeschutz zu decken?
Der wichtigste Schritt ist, dass stationäre Gesundheitseinrichtungen die Anforderungen und Möglichkeiten im Hitzeschutz erkennen und Ernst nehmen. Dazu gehört, dass es hierfür klare Zuständigkeiten auf Ebene der Geschäftsführung aber auch in möglichst jeder Abteilung gibt, analog beispielsweise zu Brandschutzbeauftragten.
Hierfür ist es entscheidend, dass es endliche normative Vorgaben für die Umsetzung von Hitzeschutz innerhalb der planetaren Grenzen gibt. Optimalerweise werden die Investitionsausgaben zweckgebunden für Klimaschutz und -anpassung erhöht.
Ein gutes Instrument für die strukturierte Umsetzung von Hitzeschutzmaßnahmen ist die Erstellung von einrichtungsinternen Hitzeschutzplänen. Hier werden die unterschiedlichsten Hitzeschutzmaßnahmen strukturiert zusammengefasst. Neben dem Klären von Verantwortlichkeit und Verbindlichkeit sind auf organisatorischer Eben die Festlegung einer Warnkette während Hitzewellen, sowie die Erstellung einer Heatmap zentral. Mit dem Erfassen und von besonders hitzebelasteten Orten, können investive Maßnahmen dann einfach priorisiert werden.

Welche weiteren Maßnahmen neben den baulichen und der Anschaffung von Kühl-Elementen sind sinnvoll?
Maßnahmen wie Informationskampagnen, Lüftungskonzepte, das Anpassen der Getränke- und Speisenversorgung, sowie die Weiterbildung des medizinischen Personals zu Hitze und die Anpassung von Therapien zu Hitzeschutzplänen sind wichtig auf dem Weg zu mehr Hitzeschutz. Einen Musterhitzeschutzplan kann man sich auf der Website des Aktionsbündnis Hitzeschutz Berlin einfach herunterladen.

Musterhitzeschutzplan

Wichtig ist: Der beste Hitzeschutzplan bringt nichts, wenn er nicht umgesetzt wird. Es ist deshalb wichtig von vornherein die Menschen in den Einrichtungen mit einzubeziehen, die die unterschiedlichsten Maßnahmen umsetzen sollen. Hitze war schon in den vergangenen Jahren ein Problem, das viele Mitarbeitende betroffen hat. Die Bereitschaft sich in diesem Bereich einzubringen ist deshalb trotz Fachkräftemangel oft hoch.