Berlin, den 08.05.2018. Die Berliner Krankenhäuser leisten einen erheblichen Beitrag zur ambulanten Notfallversorgung der Berliner Bevölkerung, deren Sicherstellung ohne sie faktisch nicht gewährleistet werden kann. Die Notaufnahmen sind vielfach überlastet. Zudem ist die finanzielle Unterdeckung dramatisch. Übervolle Ambulanzen, lange Wartezeiten und eine hohe Belastung für Ärzte und Pflegepersonal sind die Folgen. Der Sicherstellungsauftrag für die ambulante Notfallversorgung liegt bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV). „Wir benötigen dringend Reformen, um allen ambulanten Notfallpatientinnen eine qualitativ hochwertige Versorgung zu ermöglichen, unabhängig von Sektorengrenzen“, betont Brit Ismer, Vorstandsvorsitzende der Berliner Krankenhausgesellschaft.
Ohne die leistungsfähigen Notaufnahmen der Krankenhäuser ist die ambulante Notfallversorgung undenkbar. Anders als der vertragsärztliche Bereitschaftsdienst verfügen nur Krankenhäuser über die personellen und technischen Möglichkeiten, um dringliche diagnostische Maßnahmen, wie z. B. Labor- oder Röntgenuntersuchungen, sofort durchzuführen. Auch die ambulante Erstversorgung von Notfällen, wie z. B. der Ausschluss eines Herzinfarktes oder die Versorgung von Wunden und Frakturen, kann in vielen Fällen in der gebotenen Eile nur mit den Mitteln der Krankenhäuser erfolgen. Die Krankenhäuser nehmen ihre Versorgungsverantwortung 24 Stunden an 7 Tagen die Woche wahr. Diese Möglichkeiten werden von den Patienten auch entsprechend beansprucht. Die Berliner Krankenhausgesellschaft fordert deshalb eine Reform der ambulanten Notfallversorgung mit folgenden Eckpunkten:
1. Die Länder müssen neben den stationären auch die ambulanten Strukturen aktiv mitgestalten und die Sicherstellungsverantwortung für die ambulante Notfallversorgung übernehmen. Sie sollten gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) und der Landeskrankenhausgesellschaft einen Bedarfsplan erstellen. In einer sektorenübergreifenden Versorgung sind KV und Krankenhäuser gleichberechtigte Leistungserbringer im Rahmen der ihnen übertragenen Versorgungsaufträge.
2. Es sollten Notdienstpraxen an Krankenhäusern auf der Grundlage der Bedarfsplanung eingerichtet werden, die unterschiedlichen Organisations- und Kooperationsprinzipien in der Verantwortung der Krankenhäuser folgen können.
3. Es sollte eine eigenständige aufwandsgerechte Vergütungsregelung mit einer direkten Abrechnung mit den Krankenkassen eingeführt werden.
4. Eine integrierte Leitstelle mit einer einheitlichen Notfall-Rufnummer und 24 Stunden Erreichbarkeit sollte telefonischer Anlaufpunkt für alle Patienten mit akuten Gesundheitsstörungen sein.
5. Die KV sollte zur Entlastung der Notaufnahmen die vertragsärztlichen Versorgungsangebote ausbauen und deren Transparenz erhöhen (z.B. durch längere Praxisöffnungszeiten, fachärztliche Akutsprechstunden).
Die derzeitigen Strukturen der ambulanten Notfallversorgung führen zu einer hohen Belastung der Berliner Notaufnahmen. In der Bevölkerung besteht kein klares Leitbild über das Hilfesystem bei akuten gesundheitlichen Störungen. „Um die ambulante Notfallversorgung dauerhaft zukunftsfähig auszugestalten, müssen sich die Strukturen an den Bedürfnissen der Patienten und nicht an Sektoren orientieren, zudem muss die Finanzierung dringend angepasst werden“, unterstreicht Oliver Heide, stellvertretender Geschäftsführer der Berliner Krankenhausgesellschaft.
Zum Hintergrund:
Rund 1,3 Mio. Patienten suchen die Rettungsstellen an 42 Berliner Krankenhäusern jährlich auf (33 Notfallkrankenhäuser, 6 Notfallzentren, 3 Spezialversorger). Fast ein Drittel davon müssen für eine weiterführende Behandlung stationär aufgenommen werden. Von den verbleibenden rund 920.000 ambulanten Notfallpatienten bedürfen ca. zwei Drittel einer Leistung des Krankenhauses (z.B. Labor, Röntgen‐, CT‐ oder fachärztliche Untersuchung). Rund ein Drittel der ambulanten Patienten könnten auch in einer Arztpraxis oder durch den ambulanten Bereitschaftsdienst der KV behandelt werden, die den Sicherstellungsauftrag hierfür hat. Wenn sich diese Patienten als Notfall im Krankenhaus vorstellen, sind die Krankenhäuser allerdings verpflichtet, diese zumindest im Sinne der Erstversorgung zu untersuchen und ggf. zu behandeln. Die Notaufnahmen stehen grundsätzlich rund um die Uhr allen Patienten offen, die Hilfe suchen. Den Kosten von ca. 120 € je Fall stehen Erlöse von ca. 33 € je Fall gegenüber. Entsprechend besteht ein Finanzierungsdefizit von ca. 90,- € je ambulant behandeltem Krankenhausfall. Hieraus ergibt sich für Berlin ein Gesamtdefizit von rund 80 Mio. € pro Jahr.